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Die Psychologie hinter gutem Design – sieben Gesetze im UX Design

Ein Artikel aus den Bereichen Cap3 Insights, Softwareentwicklung
Jona Knoblich
27.01.2025
Jona Knoblich

Gutes Design entsteht, wenn man versteht, wie Menschen denken und Entscheidungen treffen. Genau hier kommen Laws of UX ins Spiel. Diese Prinzipien, basierend auf psychologischen Erkenntnissen und Verhaltensmustern, helfen Designern dabei, Interfaces intuitiver, effizienter und benutzerfreundlicher zu gestalten. In diesem Artikel betrachten wir sieben UX-Gesetze genauer und zeigen, wie sie in der Praxis angewendet werden können, um intuitive und klare digitale Erlebnisse zu schaffen.

Hick’s Law

Die Zeit, die für eine Entscheidung benötigt wird, steigt mit der Anzahl und Komplexität der Auswahlmöglichkeiten. Hick's Law

Hick's Law beschreibt den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Wahlmöglichkeiten und der Entscheidungszeit. Je mehr Optionen ein Nutzer hat, desto länger dauert es, eine Entscheidung zu treffen. Hick's Law zeigt, dass weniger oft mehr ist. Indem wir die Auswahlmöglichkeiten gezielt reduzieren, können wir die Nutzererfahrung verbessern.

Takeaways

  • Optionen begrenzen: Reduziere die Anzahl der Wahlmöglichkeiten auf das Wesentliche. Zu viel Auswahl kann zu Entscheidungsmüdigkeit führen, auch bekannt als "Paradox of Choice".
  • Kategorisierung nutzen: Gruppiere ähnliche Optionen in Kategorien, um die Entscheidungsfindung zu vereinfachen. Beispielsweise erleichtern Filter in E-Commerce-Websites die Auswahl durch gut strukturierte Kategorien.
  • Progressive Disclosure anwenden: Zeige nur die wichtigsten Informationen oder Optionen an und blende zusätzliche Details erst bei Bedarf ein. So bleibt das Interface aufgeräumt und intuitiv.
  • Prioritäten setzen: Hebe die wichtigsten Optionen hervor, z. B. durch visuelle Gewichtung oder eine bevorzugte Platzierung, um Nutzern die Orientierung zu erleichtern.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Wenn Nutzer eine breite Auswahl erwarten (z. B. in Kreativ-Tools wie Photoshop) oder eine Option offensichtlich besser ist, verliert Hick's Law an Relevanz. Kontext und Zielgruppe sind entscheidend. Hick's Law erinnert uns daran, Nutzer nicht zu überfordern. Eine reduzierte, gut strukturierte Benutzeroberfläche verbessert die Entscheidungsfindung – und sorgt für eine positive Nutzererfahrung.

Fitts' Law

Die Zeit, die erforderlich ist, um ein Ziel zu erreichen, hängt von der Entfernung zum Ziel und dessen Größe ab. Fitts' Law

Fitts’ Law ist ein grundlegendes Prinzip der Mensch-Computer-Interaktion, das beschreibt, wie die Zeit, die zum Erreichen eines Ziels benötigt wird, von zwei Faktoren abhängt: der Entfernung zum Ziel und der Größe des Ziels. Konkret gilt: Je näher und größer ein Ziel ist, desto schneller und einfacher kann es erreicht werden. Paul Fitts formulierte dieses Gesetz 1954, um Bewegungen in der menschlichen Motorik zu analysieren.

Takeaways

  • Richtige Größe von interaktiven Elementen: Buttons, Links und andere interaktive Elemente sollten groß genug sein, um sie leicht anklicken oder berühren zu können. Kleine Ziele erfordern mehr Präzision und führen zu Frustration.
  • Platzierung strategisch planen: Positioniere wichtige Ziele in der Nähe des Nutzerfokus, z. B. in ergonomischen Bereichen auf Touchscreens oder Desktop-Oberflächen. Schaltflächen am oberen Rand eines Smartphones sind schwerer zu erreichen als solche im unteren Bereich.
  • Randbereiche ausnutzen: Elemente, die an den Bildschirmrändern oder -ecken positioniert sind, sind leicht zugänglich, da der Cursor dort natürlich gestoppt wird. Beispiele sind das Windows-Startmenü oder die macOS-Dock-Leiste.
  • Abstände minimieren: Platziere zusammengehörige Aktionen näher zueinander, sodass Benutzer weniger Bewegung benötigen. Beispielsweise sollten Buttons wie „Speichern“ und „Abbrechen“ in einem Dialogfeld nahe beieinanderliegen.

Fitts’ Law erinnert uns daran, dass Geschwindigkeit und Genauigkeit zentrale Faktoren für die Benutzererfahrung sind. Durch die strategische Gestaltung von Elementen – sei es in ihrer Größe, Position oder Erreichbarkeit – können Designer Interfaces schaffen, die intuitiver und effizienter sind. Ein gutes UX-Design sorgt dafür, dass der Nutzer seine Ziele mit minimalem Aufwand erreicht.

Jakob’s Law

Nutzer bevorzugen Websites, die ähnlich funktionieren wie andere, die sie bereits kennen. Jakob's Law

Jakob’s Law zeigt, dass Menschen sich an bekannte Designs und Interaktionsmuster gewöhnen. Wenn eine Website oder App ähnlich funktioniert wie die, die Nutzer bereits kennen, fühlen sie sich wohler und kommen schneller ans Ziel. Abweichungen führen oft zu Verwirrung und Frustration.

Takeaways

  • Designkonventionen einhalten: Verwende etablierte Muster und Standards. Beispielsweise erwarten Nutzer, dass das Logo einer Website in der oberen linken Ecke platziert ist und durch einen Klick zur Startseite führt. Ein anderes Beispiel: Ein Hamburger-Menü gehört bei mobilen Apps zu den gelernten Standards.
  • Vertraute Navigationselemente: Menüs, Filter und andere Navigationsstrukturen sollten üblichen Standards entsprechen. Ein Hamburger-Menü oder eine horizontale Navigationsleiste sind bewährte Beispiele.
  • Klare Sprache verwenden: Nutzer sollten nicht mit ungewohnten Begriffen oder komplexen Phrasen überfordert werden. Nutze allgemein verständliche und weitverbreitete Begriffe.
  • Bekannte visuelle Hierarchien nutzen: Platziere wichtige Elemente wie Call-to-Actions (CTAs) oder Formularfelder an Orten, die Nutzer erwarten. Zum Beispiel sind Einkaufswagen-Icons bei E-Commerce-Websites oft oben rechts platziert.

Jakob’s Law erinnert uns daran, dass es bei UX Design nicht nur um Ästhetik, sondern auch um Vertrautheit geht. Indem wir uns an bekannte Muster halten, erleichtern wir den Nutzern die Interaktion – und sorgen für eine zufriedenstellende Erfahrung.

Miller’s Law

Die Anzahl der Objekte, die ein Mensch im Kurzzeitgedächtnis gleichzeitig speichern kann, ist auf etwa 7 (+-2) begrenzt. Miller's Law

Die kognitive Grenze hat einen Einfluss darauf, wie wir Informationen wahrnehmen und verarbeiten. Im UX-Design hilft uns diese Erkenntnis dabei, Interfaces so zu gestalten, dass sie den kognitiven Belastungen der Nutzer gerecht werden. Ein überladenes Interface mit zu vielen Optionen oder Informationen kann Benutzer überfordern und zu Entscheidungsmüdigkeit führen.

Takeaways

  • Chunking: Verwandte Informationen sollten in "Chunks" gruppiert werden. Durch das Aufteilen in kleinere Einheiten wird es einfacher, Informationen zu erfassen und zu speichern.
  • Optimierung von Navigationsmenüs: Die Anzahl der Hauptoptionen in einem Menü sollte begrenzt werden. Eine Navigation mit fünf bis sieben Optionen ist oft ideal.
  • Minimalismus: Um das Ziel des Nutzers zu unterstützen, sollten so wenig Elemente wie möglich verwendet werden.
  • Visuelle Hierarchie schaffen: Durch visuelle Gewichtung können Inhalte priorisiert werden (z.B. durch Größe, Farbe oder Platzierung), sodass Nutzer die wichtigsten Informationen schneller erfassen können.

Miller's Law erinnert uns daran, dass weniger oft mehr ist, besonders wenn es um das Design von Benutzeroberflächen geht. Indem die kognitiven Grenzen der Nutzer respektiert und Informationen begrenzt werden, kann Überforderung vermieden werden.

Serial Position Effect

Der Anfang und das Ende einer Sequenz haben eine höhere Erinnerungswahrscheinlichkeit als die mittleren Elemente. Serial Position Effect

Der Serial Position Effect beschreibt, wie die Position eines Elements in einer Sequenz unsere Erinnerungsfähigkeit beeinflusst. Dieses Konzept unterteilt sich in zwei Effekte. Der Primacy Effect besagt, dass Menschen sich besser an die ersten Elemente einer Liste erinnern können. Der Recency Effect besagt, dass Menschen sich besser an die letzten Elemente in einer Liste erinnern können. Im UX-Design hilft das Verständnis dieser Effekte dabei, Inhalte strategisch zu platzieren, um ihre Wirkung zu maximieren. Die Reihenfolge, in der Informationen präsentiert werden, kann die Benutzererfahrung beeinflussen.

Takeaways

  • Wichtige Inhalte strategisch platzieren: Hauptaktionen oder kritische Informationen sollten am Anfang oder Ende einer Sequenz platziert werden. Das gilt z. B. für Menüpunkte einer Navigation. Aber auch in Onboarding-Sequenzen oder Tutorials ist der Serial Position Effect wichtig. Hier sollten die wichtigsten Informationen zuerst präsentiert werden, während in den letzten Schritten das Erlernte noch mal zusammengefasst wird.
  • Call-to-Actions (CTAs) hervorheben: CTAs sollten in Bereichen platziert werden, die durch den Primacy Effect oder Recency Effect begünstigt sind.

Tesler’s Law

Jede Anwendung hat eine unvermeidliche Mindestkomplexität. Tesler's Law

Tesler’s Law, auch bekannt als "The Law of Conservation of Complexity", wurde von Larry Tesler, einem Pionier der Computerwissenschaften, formuliert. Es besagt, dass jede Anwendung oder Technologie eine gewisse Mindestkomplexität mit sich bringt, die nicht reduziert werden kann. Das Ziel des Designs ist es, diese unvermeidbare Komplexität so weit wie möglich von den Nutzern fernzuhalten und stattdessen intelligent im System zu managen. Komplexität ist unvermeidlich, aber sie sollte den Nutzer nicht überfordern. Gutes Design bedeutet, dass der Entwickler oder Designer die Last der Komplexität übernimmt und nicht der Endnutzer. Tesler’s Law fordert UX-Designer dazu auf, Funktionen und Prozesse so zu gestalten, dass sie intuitiv und einfach wirken, auch wenn sie im Hintergrund komplex sind.

Takeaways

  • Automatisierung nutzen: Das System sollte möglichst viel der Komplexität übernehmen. Beispiele sind Autovervollständigung, KI-gestützte Vorschläge oder automatische Fehlerkorrektur.
  • Progressive Disclosure einsetzen: Zeige Nutzern nur die Informationen und Optionen an, die sie in einem bestimmten Moment benötigen. Zusätzliche Details oder Funktionen können bei Bedarf eingeblendet werden.
  • Intuitive Defaults festlegen: Stelle Standardwerte bereit, die für die Mehrheit der Nutzer sinnvoll sind, um die Entscheidungsanforderungen zu reduzieren.
  • Komplexe Workflows vereinfachen: Komplexe Aufgaben sollten in kleinere, leicht verdauliche Schritte zerlegt werden. Multistep-Formulare oder geführte Assistenten sind gute Beispiele.
  • Kognitive Belastung minimieren: Vermeide es Nutzer mit zu vielen Entscheidungen oder Informationen auf einmal zu konfrontieren.

Aesthetic Usability Effect

Nutzer neigen dazu, ästhetisch ansprechende Designs als benutzerfreundlicher wahrzunehmen – selbst wenn sie es nicht unbedingt sind. Aesthetic Usability Effect

Der Aesthetic Usability Effect beschreibt das Phänomen, dass Nutzer dazu neigen, ästhetisch ansprechende Designs als benutzerfreundlicher wahrzunehmen – selbst wenn sie es objektiv nicht sind. Dieses Konzept stammt aus der Erkenntnis, dass visuelle Attraktivität die Wahrnehmung und Toleranz gegenüber kleineren Usability-Problemen verbessert. Ein ansprechendes Design schafft Vertrauen, weckt positive Emotionen und sorgt dafür, dass Nutzer gerne mit einem Produkt interagieren. Auch kleine Frustrationen oder Probleme werden bei einem schönen Interface eher verziehen, wodurch die Gesamtzufriedenheit steigt. Dieser Effekt zeigt, wie wichtig es ist, dass ein Interface nicht nur funktional, sondern auch visuell ansprechend ist.

Takeaways

  • Hochwertige visuelle Gestaltung: Investiere in saubere Layouts, harmonische Farbschemata und Typografie, die angenehm zu lesen ist. Ästhetik schafft den ersten Eindruck.
  • Emotionale Ansprache: Nutze Bilder, Animationen oder Mikrointeraktionen, die eine emotionale Verbindung zu den Nutzern herstellen.
  • Konsistenz sicherstellen: Ein konsistentes Design wirkt professionell und erleichtert die Orientierung. Einheitliche Buttons, Icons und Abstände tragen dazu bei.
  • Benutzerfreundlichkeit mit Ästhetik verbinden: Stelle sicher, dass hinter der schönen Fassade eine durchdachte Funktionalität steckt. Nutzer sollten nie das Gefühl haben, dass Stil über Substanz steht.
  • Positive Fehlerkommunikation: Selbst Fehlermeldungen können durch eine ansprechende Gestaltung weniger frustrierend wirken, z. B. durch freundliche Sprache oder ein charmantes Icon.

Fazit

Die User Experience Gesetze bieten uns wertvolle Orientierungspunkte, um die Interaktion zwischen Nutzern und digitalen Produkten so einfach, intuitiv und angenehm wie möglich zu gestalten. Sie sind keine starren Regeln, sondern vielmehr Leitplanken, die uns dabei helfen, fundierte Designentscheidungen zu treffen und die Bedürfnisse der Nutzer in den Fokus zu rücken. Gleichzeitig ist es wichtig, diese Prinzipien nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext des jeweiligen Projekts anzuwenden. Jede Zielgruppe und jede Anwendung bringen eigene Herausforderungen und Prioritäten mit sich, die ein flexibles und kreatives Denken erfordern. Wenn wir diese Gesetze verstehen und bewusst einsetzen, schaffen wir nicht nur ästhetisch ansprechende, sondern auch funktionale und nutzerzentrierte Designs. Letztlich bleibt unser Ziel immer das gleiche: Menschen mit unseren Produkten zu begeistern und ihnen einen echten Mehrwert zu bieten. Denn gute UX ist mehr als Design und Kreativität – sie erfordert auch ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Menschen.

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